Sicher erwarten Sie jetzt einen Text zum Thema Rücksichtnahme der Hundehalter auf andere Menschen oder Hundehalter untereinander. Aber darum geht es gerade nicht – sondern um Rücksichtnahme von Hunden gegenüber Menschen.
Ich schaue gerade gedanklich auf die Bilanz des letzten Jahres der Kunden unseres Hundezentrums:
– ein Kreuzbandriss
– ein gebrochenes Sprunggelenk
– mehrere gezerrte Rücken/Arme/Schultergelenke
– sehr viele blaue Flecken
Und das sind nur die Vorfälle, die uns bekannt sind und NICHT die Problemfälle von Hundeschulkunden, die bspw. mit aggressiven Hunden ins Training kommen. Diese habe ich hier nicht mit aufgeführt. Sondern das sind alles, nette, reizende Hunde, die „nur nicht bremsen konnten“, „es nicht böse gemeint haben“, „ins Spiel vertieft waren“, „halt noch so sehr an der Leine ziehen“ usw. Keiner der Hunde hat es vermeintlich mit Absicht getan, aber seinen Besitzer:innen Schmerzen, Arbeitsunfähigkeit, Verdienstausfall und teilweise längere Krankenhausaufenthalte beschert.
Kleiner Ausflug in die Welt der Statistik:
Jährlich werden in Deutschland ca. 10-12 Menschen durch Hunde getötet. Darunter sind 1-3 Fälle, von denen Sie in der Zeitung lesen. Schreckliche Situationen, die man sich als Hundefreund nicht vorstellen mag. Der Rest – von dem man nichts in der Zeitung liest, sind Fälle, in denen Hunde Menschen angesprungen haben, auch durchaus freundlich, aber der Mensch so unglücklich gestürzt ist, dass er stirbt. z.B. auch alte oder junge Menschen, die dann an den Folgen des Sturzes sterben.
Ein sehr schlimmer Aspekt daran ist, dass die allermeisten Verletzungen und Todesfälle vermeidbar gewesen wären – durch ein bisschen Erziehung!
Das fängt bereits im Welpenalter an:
Wir weisen unsere Welpenbesitzer bereits im Welpenspiel an, den Zwergen NICHT auszuweichen, wenn sie im Spiel gegen den Menschen prallen. Das macht ein erwachsener Hund auch nicht, im Gegenteil – er wird u.U. sogar ärgerlich und es gibt eine Verwarnung.
Verlangen Sie stets von Ihrem Hund, dass er Ihre körperliche Unversehrtheit respektiert. Dulden Sie kein Anrempeln (auch wenn es Ausversehen war). Kommentieren Sie dies mit ärgerlicher Stimme, schicken Sie den Hund energisch weg.
Beobachten Sie einmal zwei Hunde im Rennspiel. Dies geht auch mitten im Wald oder auf der Obstwiese. Wie oft knallt dabei ein Hund gegen einen Baum? Oder muss an einem Baum bremsen? Extrem selten. Aber menschliche Beine sind ok? Würden Sie das gleiche Verhalten von einem 15jährigen dulden? Dass er in vollem Lauf in Sie hineinrennt?
An der Leine:
Kennen Sie Hunde, die mit vollem Anlauf in die kurze Leine springen? So mit vollem Körpereinsatz? Auch das ist gelernt. Was macht der Mensch? Grübelt über Geschirr, vermeintlich zarte Halswirbel des Hundes, verletzte Schilddrüsen etc. nach. Besser wäre es, sich Sorgen um die eigene (Rücken)Gesundheit UND die Erziehung des Hundes zu machen. Spätestens beim Junghund, der mit Anlauf in die Leine prescht, darf es nicht mehr heißen „er ist halt noch so jung“, sondern es muss dringend etwas dagegen getan werden.
Dass Anspringen von klein auf (außer vielleicht bei wirklichen Zwerghunden) untersagt werden muss, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Dazu muss man nicht grob, aber konsequent sein. Und vielleicht auch einmal etwas energischer sein.
Übrigens:
Immer ein Alternativverhalten fordern, erklärt dem Hund nicht, dass er das Anspringen unterlassen soll. Und nützt nur etwas, wenn Sie auch in der Lage sind, das Alternativverhalten auch einzufordern. Wenn Sie gerade nicht hinsehen, während Ihr Hund gerade die 86jährige Nachbarin anspringt, nützt es gar nichts. Oder der Hund mit den Kindern im Nebenraum ist und gerade das Dreijährige anspringt. Besser ist es doch, wenn der Hund lernt, dass er überhaupt nicht anspringen darf.
All diese Punkte erfordern, dass Sie als Hundebesitzer durchaus das eine oder andere ernsthafte Gespräch mit Ihrem Hund führen. In einer guten Hundeschule sollten Sie das lernen. Hundeerziehung ist mehr als Training – Hunde sind keine Computer, die nur trainiert werden müssen. Sie sind soziale Lebewesen, die uns sehr genau beobachten und es wert sind, dass mit ihnen eine Beziehung geführt wird.