Bindung und Beziehung

„Du mußt einfach mehr auf die Bindung achten“ – ein Satz, den jeder Hundeanfänger schnell zu hassen lernt oder sich in mehr oder wenige tiefe Verzweiflung stoßen läßt.  Mich hat er nie gestresst (womöglich habe ich ihn schon selbst zu jemandem gesagt?), weil meine Tiere in kürzester Zeit an mir kleben.  Woran liegt das? Woher kommt sie denn, diese ominöse Bindung? Von Seiten des Menschen aus fehlt sie so gut wie nie – seine Bindung an den Hund ist meistens innerhalb von Sekunden auf Wolkenkratzerniveau. Umgekehrt geht es nicht so schnell – Bindung muss man sich verdienen. Dazu sind die meisten Hundebesitzer auch sehr gerne bereit, wenn sie nur wüßten, wie.

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Was sagt die Fachwelt nun dazu? Es gibt eine ausführliche Bindungsforschung mit Menschen, die mit sehr hübschen  Ausdrücken wie Distanziert-beziehungsabweisende Bindungseinstellung oder Unsicher-ambivalente Bindung aufwarten kann. Bei der Mensch-Hund-Beziehung bezeichnet man damit die Bereitschaft des Hundes, beim Menschen zu bleiben sowie Gehorsamsbereitschaft zu zeigen. Diese grundsätzlichen Charaktereigenschaften eines Hundes sind i.d.R. sehr stark rasseabhängig. Im Klartext bedeutet dies, dass mancher Hundebesitzer doppelt so viel Zeit und Mühe in die Erziehung seines Hundes investiert, um nur die Hälfte des Ergebnisses zu bekommen, wie beispielsweise der Besitzer einer anderen Rasse. Ausnahmen bestätigen natürlich wie stets die Regel ;)  Ist es also „einfach“ nur mit genügend Zeit und Training getan? So simpel ist es leider nicht….Braucht man also irgendwie eine bestimmte Aura? Vielleicht einen bestimmten Edelstein?

Bei meinen ersten Erfahrungen im Bereich des Tiertrainings mit 14, 15 stellte sich schnell heraus, dass sowohl Hund als auch Pferd mir bereitwillig folgten und ich selten Autoritätsprobleme hatte. Bis Anfang 20 fand ich das immer sehr schmeichelhaft und ich machte oft genug den Fehler aller Hundetraineranfänger „Geben Sie mir mal den Hund, ich zeig Ihnen das mal“ – was den jeweiligen Hundebesitzer in relativer Ratlosigkeit zurückließ und mir ein gutes Gefühl bescherte.  Leider kommen manche Kollegen nie über dieses Stadium hinaus, was ihnen eine Reihe treuer Fans beschert – aber die meisten Hundehalter nicht wirklich weiterbringt.  Hat man das nun oder hat man es einfach nicht? Ein gewisses Talent ist natürlich hilfreich, aber mehr auch nicht. Hundeerziehung und Bindungsaufbau kann man lernen – so die gute Nachricht!  Die schlechte Nachricht ist, dass man es nicht geschenkt bekommt. Ohne die Bereitschaft, sich mit Lerntheorie zu beschäftigen, sich in den das Tier hineinversetzen zu können, es nicht zu vermenschlichen und  – als Wichtigstes – es als Tier zu lieben und nicht zu erwarten, dass es sich wie ein kleiner bepelzter Mensch verhält, wird man keine Bindung bekommen.

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Für einen Teil der Hundetrainerwelt ist Bindung und Beziehung kaum ein Thema. Hier werden Trainingsmethoden verfeinert und bis zur Perfektion an Hühnern, Meerschweinchen, wilden Tieren usw. geübt. Bei all den Chicken-Camps (wer kümmert sich eigentlich darum, was die Hühner dazu sagen?) geht es eigentlich nie um das Thema Bindung oder Beziehung- Vielleicht braucht man das also gar nicht? Vielleicht reicht es, einfach nur ein super guter Trainer zu sein, dessen Clickertiming perfekt ist? Als „Beweis“ für diese These wird dann oft angeführt, dass man schließlich auch Orcas und Tiger mit Markertraining ausbilden könnte, also muss das ja wohl auch mit Hunden funktionieren! Bei dieser Beweisführung wird die Tatsache, dass Zootiere in Gehegen leben und normalerweise an chronischer Unterforderung plus Langeweile leiden, einfach vergessen. Da ist so ein Training, bei dem es Futter und Zuwendung gibt, natürlich gern gesehen.  Ob das ganze in – sagen wir mal 5 Hektar – großen Gehegen mit natürlichen Feinden sowie lebender Beute auch so gut funktionieren würde, wage ich doch ernsthaft zu bezweifeln. Verstehen Sie mich nicht falsch – Marker(Clicker)training ist eine tolle Sache und auch in unserer täglichen Hundeschularbeit nicht mehr wegzudenken. Beschäftigung und Training von Zootieren (mal von der Frage, ob Zoos wirklich immer so sinnvoll sind, abgesehen) sind für die Zootiere eine tolle Sache. Und dass sich Trainer über Seminare verbessern, kann auch nie schaden. Der aussschließliche Fokus darauf ist es, was mich stört.

Dann gibt es natürlich noch „die andere“ Seite – hier wird nur über „Energie“, „Dominanz“, „Rudelführerschaft“, „Nonverbal“ und wie auch immer es etikettiert wird, gearbeitet. Autoritär veranlagte Personen mit halbwegs gutem Timing, können damit beeindruckende Erfolge in kürzester Zeit erzielen.  Schaut man genauer hin, ist die vorgebliche „Energie“ doch nur eine negative Einwirkung, geschickt und schnell eingesetzt. Das Können dieser „Flüsterer“ besteht meistens darin, dass sie ein hervorragendes Timing haben, Hunde sehr gut einschätzen können und genau die richtige „Härte“ in der Einwirkung an den Tag legen, damit es schnell funktioniert.

In beiden „Lagern“ bekommt man durchaus gehorsame Hunde oder sogar perfekt trainierte Tiere zu sehen, die ein unglaubliches Repertoire beherrschen. Trotzdem fehlt es oft an Bindung – ergibt sich eine passende Gelegenheit, ist der Hund weg. Was braucht man also genau? Hier der Versuch einer Aufzählung:

Wie lernt der Hund? Dieses Wissen muss erst einmal der Mensch verinnerlichen. Man kann dem Hund weder etwas erklären noch auf Einsicht warten. Ohne Lerntheorie geht es nicht

  • Wie spricht der Hund? Seine Körpersprache lernen, damit der Mensch auch versteht, was der Hund gerade „sagen“ will
  • Realistische Ziele setzen  – weder zu hoch noch zu niedrig angesetzt – und vom Hund (und von der jeweiligen Rasse) erfüllbar
  • Zeit haben – Zeit zum Trainieren, Zeit zum Spielen und zum Kuscheln – dieser Faktor wird oft unterschätzt. Der Hund muss schon genügend Möglichkeit haben, zu lernen, was wir von ihm wollen – da reicht es nicht aus, eine Übung 2-3x zu wiederholen – womit wir wieder beim Thema Lerntheorie sind. Spielen/Beschäftigung ist ebenfalls sehr wichtig – und auch das geht nicht ohne Zeit.
  • Man muss seinen Hund schon wirklich mögen – will man nur einen hübschen Dekorationsgegenstand, der möglichst keinen Dreck und Ärger machen soll, wird ihr Hund das sehr schnell spüren – und mit Distanz quittieren
  • Konflikte aushalten können – die Bereitschaft, es dem Hund auch einmal unbequem zu machen, damit er auch diese Seite des Lebens kennen- und akzeptieren lernt (z.b. Alleine bleiben oder Warten lernen – nicht immer gleich alles dürfen)

Diese Punkte vorausgesetzt, kann ich Ihnen noch ein Geheimnis wirklich erfolgreicher Trainer verraten: Erwarten Sie, dass es funktioniert. Dies ist eine Grundeinstellung, die jedes Tier sehr schnell spürt. Das ist im Grunde, auch der einzige Punkt, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob ihn jeder Mensch lernen kann. Die gute Nachricht ist, dass es nicht wirklich ausschlaggebend ist, sondern nur noch das I-Tüpfelchen.

Eigentlich ganz simpel oder? Aber nun mal kein 5-Minuten-Tipp ;)