Moderne Tierquälerei….
… treffen wir leider immer häufiger an. Ich muss gestehen, mir ist so gerade gar nicht österlich, im Gegenteil – ich werde immer wütender und frustrierter.
Positive Hundeerziehung ist ja voll im Trend – toll! Wir wurden schon vor über 20 Jahren dafür belächelt – inzwischen ist sie weit verbreitet (wenn auch nicht überall – leider). Aber das ist gar nicht mein Thema heute.. vielmehr dass das löbliche Bestreben, seinem Hund keine Schmerzen oder Stress zufügen zu wollen, die kuriosesten und leider auch in einigen Fällen tierschutzrelevante Situationen/Lebensbedingungen hervorbringt.
Einige Beispiele:
- Der Hund (sehr, sehr häufig ein Kleinhund) kommt aus nicht optimaler Aufzucht und ist etwas oder sehr ängstlich. Eine – zugegebenermaßen in diesem Fall doch zeitaufwändige Umweltsozialisierung wird ihm verwehrt. „Er/sie mag halt nicht in die Stadt/unter Leute/zu anderen Hunden“. Damit ist das Thema für den Besitzer erledigt – schließlich mag der Kleine das nicht und da will man ihm das nicht zumuten – schließlich ist man/frau ja tierlieb!!!Die Folge? Der Hund verbringt sein komplettes Leben in Angst und Stress – teilweise zum überwiegenden Teil in der Tragetasche.Hin und wieder kommt so ein armes Mäuschen in unsere (Kleinhunde)Spielstunde und sitzt dann zitternd zwischen den Beinen. Natürlich werden solche Hunde erst einmal geschützt und dürfen nur gucken. Wir reden und erklären mit Engelszungen, dass es sehr sinnvoll wäre, nun regelmäßig zu kommen, evtl. auch ein paar Stunden zu nehmen, damit wir an der Angstproblematik des Hundes arbeiten können usw. Uns geht es gar nicht um die paar Unterrichtsstunden, die wir verkaufen können (wir haben echt genug zu tun), sondern um den armen Hund, der vielleicht etwas weniger Angst haben könnte.In den seltensten Fällen kommen diese Hunde jedoch öfter.. weil…. „er mag das halt nicht“.
- Ein Welpe will spielen, rennen und die Welt erkunden – Stillhalten und mal Langeweile ertragen gehören nicht wirklich zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Sitz und Platz? „da hat er keine Lust zu“. Also übt man diese ungeliebten Übungen nicht oder nur sehr wenig. Schließlich „mag er das nicht“ und man liebt seinen Hund ja, oder? „Der muss ja nicht so dressiert werden“. Die Folge? Der junge Hund wird immer ungestümer und wilder, kaum zu bändigen. Restaurantbesuche oder auch nur ein Schwätzchen mit der Nachbarin sind irgendwann kaum noch möglich ohne sich in Grund und Boden zu blamieren. An der Leine zieht er wie verrückt und bellt alles an. Also bleibt der Hund zu irgendwann immer mehr zu Hause und verbringt sein Dasein in endloser Langeweile in der Wohnung oder im Garten.
- Krankheiten ignorieren – das kommt tatsächlich vor. Alleine wir in unserer Hundeschule hatten in den letzten Monaten gleich zweimal diesen Fall: Ich treffe eine ehemalige Kundin, der Hund ist etwa 4 oder 5 Jahre alt und mich trifft fast der Schlag: Der Hund wirkt uralt, zeigt ein deutliches Schmerzgesicht, hat stumpfes Fell und trottet teilnahmslos hinter seiner Besitzerin her. Ich frage entsetzt, was er denn hat und ernte ein verständnisloses „Wer? Wieso?“. Ich weise auf das Fell und meinen Gesamteindruck des Hundes hin und werde (schon leicht empört) zurechtgewiesen. Fido geht es gut und überhaupt solle ich den sonst mal sehen, wenn er dem Ball hinterherrennt oder seinen Kumpel trifft. Ich insistiere und erreiche … nichts. Im Gegenteil, die Hundebesitzerin ist nun endgültig gekränkt und verabschiedet sich.Der nächste Fall betrifft den Welpen, der – evtl. sogar von einem hochdekorierten Züchter oder auch vom Händler, das ist eigentlich egal – ebenfalls einen schlechten Gesamteindruck macht. In der Regel werden unsere Hinweise und die Bitte, den Hund doch einmal beim Tierarzt vorzustellen, komplett ignoriert oder ebenfalls ärgerlich als Einmischung aufgefasst. Fast immer folgt dann jedoch die Infektion/Durchfall/Hauterkrankung auf dem Fuß, so dass der Hund dann doch noch beim Tierarzt landet.
Noch schwieriger wird es für uns, wenn der Hund erst einmal einen guten Gesamteindruck macht, aber man leider schon am Gangbild sieht, dass die Gelenkprobleme vorprogrammiert sind. In den seltensten Fällen gelingt es uns, den Besitzer davon zu überzeugen, frühzeitig diagnostizieren zu lassen und mit Physio, entsprechendem Futter etc. zu beginnen.
Ich bin nun wirklich nicht gerne die Kassandra, aber den Boten für die schlechte Nachricht zu köpfen, war schon immer schlechter Stil, wenn es auch offensichtlich Tradition hat ;( - Keine Zeit – Es geht los mit keine Zeit für die Auswahl einer geeigneten Rasse („So einen hab ich gesehen, der sieht toll aus!“) haben, gefolgt von keine Zeit für die Züchterauswahl („Ich fahr doch nicht so weit, kennen Sie nichts näheres?“), keine Zeit für die Umweltsozialisierung, keine Zeit für Auslauf und Beschäftigung, keine Zeit für Erziehung, keine Zeit für rassespezifische Auslastung. Den hochgezüchteten Arbeitshund haben wollen (weil er so toll aussieht und so exotisch ist) und erwarten, dass dieser 7 Stunden alleine zu Hause sitzt und nichts anstellt dabei usw…. Die Liste könnte ich endlos fortsetzen.
Neu ist der Anspruch, dass man schließlich die teure Hundeschule bezahlt hat und nun einen guterzogenen Hund erwartet. Schließlich hat man 3x! Sitz geübt, warum kann er das immer noch nicht? Und immer noch mit Leckerchen, können wir damit nicht mal aufhören? Üben ist sowieso total out – im Fernsehen klappt das ja auch nach fünf Minuten! - Eine andere Variante ist der Erziehungsstil, der eigentlich keiner ist, weil auf gar keinen Fall auch nur irgendetwas verboten/versagt werden darf. „Da hat er Stress!“ Direkt gefolgt von „Um Gottes willen, bloss kein Halsband!“ Ehrlich gesagt, sehe ich mehr Hunde mit kneifenden, einschnürenden oder schlackernden Brustgeschirren als mit Genickbrüchen…. Nichts gegen ein gut sitzendes Brustgeschirr – aber leider sieht man das sehr selten. Die Mühe, sich damit zu befassen und ein Geschirr zu suchen, dass dem jeweiligen Hund gut sitzt und gut angepasst ist, ist anscheinend schon wieder zu viel. Gegen Halsbänder zu wettern ist da einfacher, oder?Aber das nur am Rande… Wenn der Hund immer alles darf und allem Unangenehmen aus dem Weg gegangen wird, dann bleibt auch das oft nur übrig – einsame Spaziergänge, kein Sozialkontakt mehr für den Hund (und oft auch für den Besitzer) und ein Leben an der Flexileine – der moderne Kettenhund. Passend dazu gibt es dann Literatur, die behauptet, der Hund brauche 2 Tage, um sich von den Aufregungen und Eindrücken eines Spazierganges zu erholen. Ich Tierquälerin hingegen gehe gleich mehrfach am Tag spazieren…. tsts…Ein Leben in Watte gepackt – ohne die Möglichkeit zum Austausch mit anderen Hunden – ohne Neues Kennenzulernen und zu Lernen überhaupt – ist das tierschutzgerecht?