Bestechung oder Belohnung?
Ich bin ja nun schon seit über 25 Jahren in der „Hundeerziehungsszene“ unterwegs (hui.. ich werde alt :) und habe schon einige Trends kommen und gehen sehen.
„Zu meiner Zeit“, will sagen, vor 25 Jahren war die Leckerchengabe absolut verpönt und ein Zeichen von schlimmer „Bestechung“. Der Hund hatte gefälligst nach dem in jedem Vereinsheim zu findenden Spruch “ Der Hund ist mir im Sturme treu, der Mensch nicht mal im Winde“ zu funktionieren. Tat er das nicht, wurde dies bis zu einem Alter von einem Jahr gar nicht und dann von jetzt auf gleich mit Stachelhalsband, Schlägen, Aufhängen oder der Dachlatte (kein Scherz!) geahndet. Schlimme Zeiten waren dies, obwohl auch damals schon – glühend von mir verehrt – Altmeister Trumler von den positiven Auswirkungen einer geschickten Früherziehung berichtete. Nun – meine diesbezüglichen Versuche in der Missionierung meiner Vereinskollegen endeten mit einem etwas überhasteten Austritt sowie der ebenso überhasteten Gründung meiner Selbständigkeit.
Seit dem gab und gibt es viele, verschiedene Methoden. Viele davon absolut sinnvoll und von uns auch in unseren Weg der Hundeerziehung integriert. Einige reichlich abstrus (oder möchten Sie jeden Morgen Urin abfüllen und eifrig über die Pinkelstellen ihres Hund „markieren“?) oder schlichtweg falsch (sogar, den Hund zu bestrafen, wenn er zurückkommt, erlebt derzeit eine Renaissance. Letzteres sogar begründet mit einer Beobachtung von Eberhard Trumler, der dies aber keinesfalls als Erziehungsmethode ansah!).
„In“ ist derzeit die Werbung einiger Hundetrainer, sie arbeiteten ohne Hilfsmittel und ohne Leckerchen/Bestechung. Fragt man nach, muss man feststellen, dass selbst vielen Trainern die Unterscheidung zwischen Belohnung und Bestechung nicht klar ist.
Ein Beispiel:
Situation 1: Sie rufen Ihren Hund, er kommt und Sie geben ihm ein Leckerchen – eine klassische und sinnvolle Belohnung. Der Hund lernt, dass es sich lohnt, zu Ihnen zu kommen und verknüpft seine Ankunft mit der (hoffentlich schmackhaften) Belohnung – ein angenehmes Gefühl!
Situation 2: Sie rufen Ihren Hund und er kommt nicht, wirft Ihnen vielleicht nur einen Blick zu. Sie greifen in die Tasche und zeigen ihm, dass Sie ein Leckerchen haben evtl. noch mit einer entsprechenden Ankündigung: „Schau mal, was ich da Gutes habe“… Ihr Hund kommt nun angetrabt und erhält das Leckerchen.
Im Endeffekt scheint es sich um die gleiche Lernsituation zu handeln: Hund wird gerufen, Hund kommt, Hund erhält Futter.
Dies ist aber nur oberflächlich betrachtet der Fall. In Situation 1 hat der Hund ein Hörzeichen wie gewünscht ausgeführt und eine – absolut angebrachte – Belohnung erhalten. In Situation 2 hingegen, wollte er das Hörzeichen nicht befolgen und hat sich erst nach Offerierung der – in diesem Fall tatsächlichen – Bestechung zum Kommen entschieden.
Bestechung ist in unseren Augen moralisch verwerflich. Dem Hund sind unsere ethischen Grundsätze hingegen egal. Trotzdem sollten wir nicht zur Bestechung greifen, da sonst die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass Ihr Hund vor der Befolgung von Hörzeichen immer öfter zögern und erst einmal abwarten wird, was es denn zu gewinnen gibt.
Gegen eine sinnvoll eingesetzte Belohnung hingegen gibt es lerntheoretisch absolut nichts zu sagen. Die Zahl der Untersuchungen, wann, wo und wie am besten gelernt werden, ist inzwischen wirklich hoch und eine jede sagt: Streßfreie Lernsituationen mit einer attraktiven Belohnung führen am schnellsten zum gewünschten Lerneffekt.
Natürlich wünschen wir uns alle den Hund, der aus Liebe und Treue zu uns alle Hörzeichen prompt befolgt. Lassie läßt halt immer noch grüßen…. Aber Hunde sind Opportunisten und dem Mensch damit sehr ähnlich. Bis wir einen Gehorsam aus Gewohnheit und Bindung erwarten können, ist es ein weiter Weg, der sich durch sinnvoll eingesetzte Belohnung deutlich verkürzen läßt.
Werfen wir nun einen Blick auf den Slogan: Erziehung ohne Hilfsmittel:
Dazu bedarf es erst einmal einer gemeinsamen Definition, was als Hilfsmittel zu betrachten ist. Halsband und Leine sind schließlich auch Hilfsmittel….. Ist der dünne Endloswürger ein Halsband oder gar ein Hilfsmittel? Und das Stachelhalsband? Die Wurfkette? Ein Hilfsmittel per se ist nicht gut oder schlecht, sondern immer nur so, wie es wirkt und wie es eingesetzt wird. Oder, wie Iris immer so schön treffend anführt: Ein Kopfkissen ist ein wunderschönes Ding… zum Schlafen. Auf das Gesicht gedrückt ist es aber ein Mordinstrument. Ist das Kopfkissen nun böse?
Natürlich gibt es auch Hilfsmittel, die nicht schonend oder sinnvoll eingesetzt werden können, wie z.B. ein Elektroschock- oder Stachelhalsband. Hier ist die Bewertung einfach.
Schwieriger wird es z.b. beim Kopfhalfter: Ruckt man grob daran herum, kann ein kräftiger Mensch einem zierlichen Hund sicher Schmerzen zufügen. Aber kann das Kopfhalfter etwas dafür? Wie sieht es mit der Konstellation: Kräftiger Hund und zierlicher Mensch aus.. oder alter Mensch.. oder rückenkranker Mensch oder…. Sie sehen schon: Es gilt, etwas differenzierter hinzuschauen und nicht einfach mit pauschalen Aussagen um sich zu werfen.
Übrigens: Eine recht rührige Franchisekette, bei der man sich in einem Wochenendlehrgang zum „Hundeflüsterer“ ausbilden lassen kann (Toll! Wir haben länger dafür gebraucht….), wirbt u.a. mit „Erziehung ohne Hilfsmittel“. Tatsächlich kann man aber die Kunden dieser Hundeschule oft mit Stachelhalsband und Wurfkette „bewaffnet“ trainieren sehen… sind das nun keine Hilfsmittel?
Die gegenläufige Bewegung gibt es in der Hundeszene inzwischen natürlich auch: Gewaltfrei, ohne Streß und sanft, soll sie sein, die Hundeerziehung. Sogar über den Klang von Hörzeichen wird nachgedacht „Raus da“ beispielsweise töne zu aggressiv, heißt es. Leider führt dieser an sich absolut begrüßenswerte Trend häufig dazu, dass Hunden gar keine Grenzen mehr gesetzt und ihnen alle Freiräume der Welt gegönnt werden. Dies bringt jedoch oft mit sich, dass der Freiraum des Hundes, die Einschränkung eines anderen Lebewesens bewirkt. Oder haben das gejagte Wild oder der bedrohte Jogger keine Rechte? Noch unschöner wird es, wenn im Zuge der Streßvermeidung gar propagiert wird, man dürfe nur alle zwei bis drei Tage spazieren gehen, solange brauche der Hund nämlich, um den Streß des Spaziergangs zu verarbeiten. Wo bleibt denn da das ohnehin häufig unausgelastete Lauftier Hund?
Rückblickend betrachtet, zeigen sich viele Trends der Hundeerziehung (übrigens auch in der Hundeernährung, aber das ist ein anderes Thema) analog zur Kindererziehung. Weder die „schwarze Pädagogik“ noch die antiautoritäre Erziehung haben sich als sinnvolle Modelle erwiesen. Wie in der Kindererziehung liegt auch in der Hundeerziehung der richtige Weg in der goldenen Mitte: Sinnvolle Grenzen setzen, angenehmes Lernklima schaffen und autoritäre (im Sinne von gerechten und souveränen ) Vorbildern.